„Dem Wald Zeit geben“

Hohe Auflagen, zu viel Bürokratie: Waldbesitzer üben Kritik

Waldeck-FrankenbergWälder brauchen Pflege und keine Bürokratie: Mit dieser Botschaft haben sich die Waldbesitzer in Waldeck-Frankenberg an die Politik gewandt. „In den Amtsstuben Europas sowie beim Bund und in den Ländern entstehen immer wieder praxisferne Regeln, Gesetzte und Vorgaben, die unseren Grundsatz der Unantastbarkeit des Waldeigentums, der Freiheit seiner Bewirtschaftung und des Rechts auf Selbstverwaltung gefährden“, sagte Christian Raupach bei der Jahreshauptversammlung der Kreisgruppe Waldeck-Frankenberg im Hessischen Waldbesitzerverband.
Der geschäftsführende Direktor des Verbandes führte bei der Versammlung in Goddelsheim aus, dass der Umbau des Waldes – in vielen Fällen durch staatliche Förderprogramme unterstützt – eine Generationsaufgabe sei und für Waldeigentümer und Förster tägliche Arbeit bedeute. „Es ist das Ergebnis beständiger solider Arbeit, dass im vergangenen Jahr trotz steigender Belastungen um die 15.000 Hektar mehr Wald in Deutschland wachsen konnten. Wir können viel, aber wir können den Wald nicht schneller wachsen lassen“, sagte Raupach und betonte: „Wir brauchen eine Regierung, die zunächst die Hausaufgaben der Vorgänger erledigt und nicht gleich wieder neue Ideen umsetzen will. Wir brauchen eine Politik, die uns von völliger Sachfremde, überflüssigen Dokumentationspflichten, Verfahren und bürokratischen Auflagen befreit –eine Politik, die uns Zeit gibt für den Wald.“
2024 hat sich der Wald durch die Witterung gut erholt. Gerade junge, vitale Bäume sind bis zu einem Meter gewachsen. Der Laubbaumanteil erhöhte sich auf 63 Prozent, die Vielfalt und der Anteil seltener Baumarten nehmen weiter zu, die Schäden durch Wildtiere gehen zurück. „Man muss diese Erholung aber differenziert sehen, denn alte Bäume erholen sich schwerer“, so Raupach. Er mache sich vor allem Sorgen um Eichen und Buchen. „Viele Bäume haben Kronenschäden und sind damit anfälliger gegen verschiedene Käferarten. Ihre tief sitzenden Wurzeln erholen sich – wenn überhaupt – nicht so schnell vom Wassermangel.“
Die Forstbetriebe selbst müssten sich darüber hinaus noch einige Jahre mit den Dürre- und Sturmjahren der Vergangenheit und den damit verbundenen wirtschaftlichen Einbußen beschäftigen. „Wir haben einen enormen Verlust an Fichten, große Flächen müssen aufgeforstet werden und bringen keinen Ertrag“, sagte Raupach. Es dauere mindestens 20 Jahre, bis die Betriebe einen Nutzen aus ihrer Arbeit ziehen könnten. „Bis dahin aber müssen die Kulturen gepflegt werden. Das kostet Geld und Zeit“, sagte der geschäftsführende Direktor des Hessischen Waldbesitzerverbandes.
BARBARA LIESE

Der Wald: Ein Alleskönner

Der Wald kühlt die Umgebung, verbessert die Luftqualität, produziert Sauerstoff, spendet Schatten und filtert Ruß, Gase sowie Feinstaub aus der Luft. Er reguliert den Wasserhaushalt, liefert Holz, Papierprodukte, Möbel und bietet Raum für Erholung und Tourismus. Der Wald ist zudem Heimat für viele Pflanzen- und Tierarten und er speichert als wichtiger Klimaschutzfaktor über alle Baumarten hinweg Kohlenstoffdioxid. Für Generationen ist er ein Wirtschaftsraum, der Existenzen sichert.
BL

„Entwaldung ist nicht zu erwarten“

Versammlung der Waldbesitzer – Bürokratie sorgt für Kritik

Vertritt gemeinsam die Interessen der Waldbesitzer: Der Vorstand des Hessischen Waldbesitzerverbandes, Kreisgruppe Waldeck-Frankenberg: Präsident Carl Anton Fürst zu Waldeck (vorne) gab mit Blick auf die Entwaldungsfreilieferkette ein Beispiel für die zunehmende Bürokratie. © Fotos: Barbara Liese

Waldeck-FrankenbergDas waren noch Zeiten: Förster Martin Rombach verlässt mit seinem Hund Senta das Forsthaus zu einem Spaziergang. Die „Büchse“ und das Fernglas hat er dabei. Unterwegs finden die beiden ein verletztes Rehkitz, der Förster pflegt es gesund und entlässt es später in die Freiheit. 25 Jahre lang, bis zum Jahre 2013, habe er die ökologischen Probleme des Waldes „mit Herz und Verstand gelöst“.
Heute sähe das Drehbuch für eine Förster- und Waldbesitzergeschichte anders aus, berichtet Rombach bei der Jahreshauptversammlung der Kreisgruppe Waldeck-Frankenberg im Hessischen Waldbesitzerverband. Die Bewirtschaftung und Verwaltung des Waldes seien längst digital und vor allem bürokratisch. Ein leistungsstarker Computer mit aufwendiger Spezialsoftware ersetze für viele Stunden am Tag Gewehr und Fernglas. Grenz- oder Wegekarten, geografische Informationssysteme, Vermessung von Flächen und Strecken, Kataster, Holzvermarktung, Bodenwasserhaushalt, Nährstoffversorgung und notwendige Berechnungen, Bodenwasser und Datenerfassungen – alles werde zur Erledigung in vielen Tabellen, Anträgen, Bildern und Grafiken verpackt, um sich am Ende in einer Förderung, Zertifizierung oder im Rahmen europäischer Verordnungen zu spiegeln.

Neue Entwicklungen besprochen

Wie immer war auch in diesem Jahr die Goddelsheimer Mehrzweckhalle zur Jahreshauptversammlung sehr gut besucht. Bürgermeister der 2019 gegründeten Kommunalwald GmbH, der neben der Waldeckischen Domanialverwaltung 21 Gemeinden aus dem Landkreis angehören, Vertreter von Hessenforst und in großer Zahl private Waldbesitzer waren gekommen, um sich über die neuesten Entwicklungen auf allen politischen Ebenen zum Thema Wald zu informieren.
Heute – darin waren sich alle Beteiligten einig – gilt es, den Wald zu erhalten, neu aufzustellen, ihn klimafester zu machen und vor allem eine überbordende Bürokratie abzuwehren.
Ein Beispiel für die massiv zunehmende Bürokratie sieht Fürst Carl Anton, Präsident des Hessischen Waldbesitzerverbandes und seit einem Jahr auch Vizepräsident des europäischen Waldbesitzerverbandes, in dem sogenannten Lieferkettengesetz, das weltweit für alle Waldbesitzer gilt. Laut Fürst Carl Anton ist dieses aber nicht zu Ende gedacht.
„Die Entwaldungsfreilieferkette verfolgt ein vermeintlich sehr hehres Ziel. Es geht darum, dass Produkte aus Entwaldungsgebieten nicht in die EU importiert und innerhalb der EU gehandelt werden sollen“, erläutert der Präsident des Hessischen Waldbesitzerverbandes. Die Lieferkette orientiere sich auch an den Drittländern, sie betreffe vor allem Produkte wie Rindfleisch, Kaffee, Kakao, Kautschuk, Soja oder Feinöl – und eben auch Holz.
„Um potenzielle welthandelsrechtliche Konsequenzen zu vermeiden, gilt dieses Gesetz ohne Not nun aber auch für Europa und für unseren Wald“, so Fürst Carl Anton. Waldbesitzer müssten sich zukünftig vor jedem Einschlag in ihrem Wald in einer EU-Datenbank eintragen, GPS-Punkte für die Einschlagsfläche eingeben, die Baumarten mit deutschen und lateinischen Namen benennen sowie die zu schlagenden Festmeter und die zu erwartenden Endprodukte – egal ob Brennholz, Industrieholz oder Stammholz – angeben. Diese Daten werden nach Auskunft des Präsidenten des Hessischen Waldbesitzerverbandes in die EU-Datenbank eingepflegt, der Waldbesitzer erhalte eine sogenannte Referenznummer, die das Holz die komplette Lieferkette hindurch begleite.

Lieferkettengesetz nicht übertragbar

„Es gibt Hochrechnungen dazu. Bei einer Rolle Toilettenpapier landen wir dann bei circa 200.000 Referenznummern. Bei einer Tageszeitung bei 300.000 Referenznummern, die dort mitgegeben werden müssten. Für diese Maßnahmen wurden mittlerweile bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung über 90 Stellen geschaffen. Dies alles für ein Problem, das es bei uns nicht gibt. Eine Entwaldung ist in Deutschland und schon gar nicht in Waldeck Frankenberg zu erwarten“, betonte Fürst Carl Anton, der sich auf Landesebene und auf europäischer Ebene deshalb in vielen Gremien und Gesprächen dafür einsetzt, das alle Länder der Welt in drei Risikostufen eingestuft werden. Er gehe davon aus, dass Deutschland dann ein geringes Risiko attestiert werde.
„Wir schauen mit Nachdruck, um irgendwie eine Entschärfung oder Anpassung hinzubekommen. Im vergangenen Jahr haben wir es zumindest geschafft, dass das Ganze erst noch über ein Jahr verschoben wurde und erst 2026 greifen soll“, so Fürst Carl Anton.
BARBARA LIESE
2025 WLZ 17. 02.