Arbeiten wie vor rund 300 Jahren
Lutz Milferstedt ist Schmied in Nieder-Ense

Bereits mit 14 Jahren begeisterte sich Lutz Milferstedt für das Schmiedehandwerk und brachte sich die Kunst selbst bei.
Korbach-Nieder-Ense – „Nägel mit Köpfen machen“ – diese Redewendung hat ihren Ursprung in einer Epoche, in der die Schmiedekunst weit verbreitet war. Zu dieser Zeit stellte das Herstellen von Nägeln eine alltägliche Aufgabe für den Schmied dar. „Im Schnitt stellte ein Nagelschmied pro Tag 700 bis 1200 Nägel her“, berichtet Lutz Milferstedt, Schmied aus Nieder-Ense.
Das Schmiedehandwerk überlebt nun schon seit ungefähr 5000 Jahren. Dennoch haben sich die Arbeitsprozesse kaum verändert. „Diese Beständigkeit zeugt von der Tradition und dem handwerklichen Können, das in der Schmiedekunst steckt“, sagt Milferstedt. Die tiefe Verbundenheit zum Ursprung motiviert den 44-Jährigen bei seiner täglichen Arbeit. Er betont: „Mein Beruf erdet mich.“
In seiner klassisch gestalteten Hacheschmiede in Nieder-Ense bewahrt Milferstedt mit dem traditionellen Schmieden eine fast vergessene Kunst. Er fertigt dort nicht nur Werkzeuge, sondern restauriert auch historische Objekte. Oft fungiert er zudem als Sachverständiger für Archäologen. „Ich erkläre den Professoren, wie etwas geschmiedet wurde“, sagt Milferstedt.
Darüber hinaus stellt der Nieder-Enser Spezialanfertigungen her. In einer Welt der Industrieproduktion ist die Hacheschmiede, das wird beim Besuch der WLZ deutlich, ein wahres Unikat. Dort wird das Handwerk mit Leidenschaft und Präzision gelebt. Aufgrund der vielen – stark unterschiedlichen – Aufträge lässt sich das Angebot der Hacheschmiede kaum eingrenzen. „Es wäre einfacher zu sagen, was ich nicht herstelle“, erklärt der Schmied lachend. Hierzu zählt zum Beispiel das Beschlagen der Eisen am Pferd: „Ich mache alles, was ein Schmied im 18. und 19. Jahrhundert gemacht hat – mit Ausnahme des Hufbeschlags.“
„Schmieden ist zwar eine körperliche Aufgabe, vor allem aber auch eine geistige“, ergänzt Milferstedt. Bei der Arbeit dürfe keine Zeit verloren werden, jeder Handgriff müsse im Voraus überlegt sein. Eine der großen Künste des Schmieds sei die richtige Temperatur der zu schmiedende Gegenstände. Ein erfahrener Schmied könne anhand der glühenden Farbe die aktuelle Temperatur des Metalls abschätzen. „Wir müssen immer mit der richtigen Temperatur arbeiten. Ist es zu heiß, ist das schlecht. Kühlt das Metall zu sehr ab, haben wir ebenfalls ein Problem“, sagt der Schmied. Um die glühenden Metalle leichter auf ihre Temperatur hin zu erkennen, sei es in den Werkstätten meist sehr dunkel.
Bereits im Alter von 14 Jahren habe er sich für das Schmiedehandwerk begeistert – eine Lehre in dem speziellen Handwerk habe er aber nicht absolviert. Daher dürfe er auch nicht ausbilden.
„Ich habe mir das Wissen selbst beigebracht“, so der 44-Jährige. Er könne mittlerweile mit den besten Schmiedemeistern mithalten. Heute gebe er sein Wissen gerne auch in Kursen weiter. „Die Leute kommen von überall her. Die meisten Teilnehmer sind Menschen, die hobbymäßig mit dem Schmieden anfangen möchten“, sagt Lutz Milferstedt. Das Schmiedehandwerk sei aber sehr anspruchsvoll. Die meisten Anfänger könnten erst nach über sieben Jahren harter Lernzeit richtig schmieden.
„Der Beruf des Schmieds erlaubt ein sehr weites Spektrum – ich kann mich frei im Metallhandwerk bewegen. Außerdem fasziniert es mich, dass der Beruf immer noch sehr ähnlich zu früher ist. Der Schmied ist der Urvater sämtlicher Metallberufe und ich bin stolz darauf, ein Teil zum Erhalt dieses Berufs beizutragen“, berichtet Milferstedt.
Kai Bremmer, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Waldeck-Frankenberg, weist derweil auf die heutigen Ausbildungsoptionen hin: „In Deutschland gibt es bereits seit 1989 nur noch die Ausbildung zum Metallbauer und nicht mehr zum direkten Schmied. Wer das Schmiedehandwerk mit einer anerkannten Berufsausbildung erlernen möchte, kann die Ausbildung zum Metallbauer mit der Fachrichtung Metallgestaltung absolvieren. Diese dauert dreieinhalb Jahre.“
Metallbauer mit der Fachrichtung Metallgestaltung stellen eine Vielzahl von Bauteilen her – darunter Gitter, Geländer und Metalleinfassungen, aber auch individuelle Gebrauchsgegenstände werden gefertigt und montiert. Oft arbeiten sie an Einzelstücken, die entweder nach den Wünschen der Kunden oder nach eigenen kreativen Entwürfen entstehen. In dem Handwerk werden verschiedene Materialien wie Baustähle, legierte Stähle und Kupferlegierungen verarbeitet.
Um die gewünschten Formen und Funktionen zu erlangen, werden verschiedene Techniken angewendet: Metallbauer schmieden, härten, glühen, treiben, biegen, löten, nieten und schweißen das Metall. Reparaturen und Restaurierungen verschiedener Schmiedeteile werden ebenfalls vorgenommen.
AILEEN RADDATZ UND
JULIUS KÖHLER
Neue WLZ-Serie
Traditionelle Berufe, die heute kaum noch jemand kennt – oder besondere Berufsfelder, die in den vergangenen Jahren neu hinzugekommen sind: In unserer WLZ-Serie stellen wir in unregelmäßigen Abständen außergewöhnliche Berufe vor. In der heutigen Ausgabe porträtieren wir den Schmied Lutz Milferstedt aus Nieder-Ense.
AR
