1945: Zusammenbruch und Aufbruch

Neues Buch über „Die Zeit danach“ in Vöhler Synagoge vorgestellt

Über das gelungenes Buchprojekt freuten sich in der Vöhler Synagoge nach der Vorstellung die Förderer und Autoren (vorne von links) Britta Hein, Wolfgang Kluß, Johannes Grötecke, Dr. Marion Lilienthal, Prof. Dietfrid Krause-Vilmar, Lisa Beutler und Karl-Heinz Stadtler, (hinten von links) Heinrich Figge, Dr. Horst Hecker, Hans-Jürgen Wüst, Karsten Kalhöfer, Dr. Arnulf Scriba, Ernst Klein und Dr. Heinrich Knoche. © Foto: Karl Hermann Völker

Vöhl„Es gab keine Stunde Null! 1945 begann ein schwieriger Weg, der noch nicht zu Ende ist. Er hat die Ziele Recht, Humanität und Völkerfreundschaft“, umriss der Kasseler Historiker Professor Dr. Dietfrid Krause-Vilmar die Situation des Kriegsendes vor 80 Jahren. Mit Leseproben aus dem neuen Buch „Die Zeit vor und danach“, das er in der Synagoge Vöhl im Beisein von Herausgebern, Autoren und vielen Gästen vorstellte, rückte er vor allem die Lebenswege verfolgter Juden aus Waldeck-Frankenberg eindrucksvoll vor Augen. Johannes Grötecke hat sie in seinem Kapitel über Bad Wildungen beschrieben, Ernst Klein aus Volkmarsen.

Wie sehr gerade die Schicksale und Geschichten einzelner Menschen die Zeit zwischen Zusammenbruch, Umbruch und Aufbruch in Deutschland vor und nach 1945 anschaulich vor Augen führen, stellt dieser Band 8 der Schriftenreihe aus Archiv- und Museum der Stadt Korbach und Archiv der Alten Landesschule mit vielfältigen Perspektiven unter Beweis. „Die Schicksale plötzlich verschwundener jüdischer Nachbarn waren nur für wenige Deutsche Grund, darüber nachzuforschen. Der große Frieden wurde leider auch mit den Tätern gemacht“, stellte Prof. Krause-Vilmar fest. Er berichtete aber auch von „minimalen Spielräumen“, in denen einzelne Deutsche menschlich handelten.

Dr. Marion Lilienthal schildert zum Thema Kriegsende 1945 nicht nur detailliert die lokalen zeitgeschichtlichen Ereignisse in Korbach zwischen US-Einmarsch, Besatzung, Entnazifizierung und Flüchtlingsnot, sondern beschreibt auch die „Integration der Täter im Nachkriegsdeutschland“. Für alle, die zur Thematik weiter forschen möchten, fügte sie ein Quellen- und Literaturangebot an. Heinrich Knoche (Marienhagen) erzählt facettenreich die Schicksale von „drei starken Frauen“, Horst Hecker macht die NS-Verfolgung der Zeugen Jehovas am Beispiel von Konrad Möbus aus Römershausen sichtbar.

Auch Nachfahren von ehemaligen Vöhler Juden beteiligten sich als Autoren mit berührenden Berichten über Emigration und Neustart an dem Buch, darunter auch die eng mit der Vöhler Synagoge verbundene Carol Davidson Bird (USA). Sie wie ebenso Michael Dimor und Ruben Herzberg waren per Livestream der Buchvorstellung, die durch Sara Küpfer und Michael Lavan mit Flötenmusik bereichert wurde, zugeschaltet.

Karl-Heinz Stadtler (Vöhl) hat das Buch zusammen mit Dr. Marion Lilienthal (Korbach) und Johannes Grötecke (Bad Wildungen) herausgegeben. Er beschrieb, wie sehr diese erzwungene Emigration der Juden damals eine Reise ins Ungewisse gewesen sei. Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen appellierte er: „Ausgrenzung, Antisemitismus und Hass dürfen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben“. Stadtler dankte allen Kommunen, der Kirche, Vereinen und den Lions, die als Förderer zur Finanzierung des Buchprojektes beigetragen hatten, insbesondere aber den Autoren Carol Davidson Baird, Michael Dimor, Heinrich Figge, Johannes Grötecke, Horst Hecker, Ruben Herzberg, Ernst Klein, Heinrich Knoche, Marion Lilienthal und Karl-Hermann Völker. Die Kooperation mit ihnen zeige, „dass wir in Bezug auf die so wichtige Erinnerungsarbeit im Landkreis Waldeck-Frankenberg gut aufgestellt und vernetzt sind“.

Bürgermeister Karsten Kalhöfer äußerte in seinem Grußwort „Respekt und Anerkennung“ für das neue Werk. „Es hält die Erinnerung an Erfahrungen und Schicksale fest, die uns als Gemeinschaft heute noch prägen. Dieser Rückblick ist Auftrag!“

Service: Das Buch „Die Zeit davor und danach – Waldeck-Frankenberg um 1945 zwischen Zusammenbruch, Umbruch und Aufbruch“, Hardcover, 334 Seiten stark, ISBN 978-3-9825484-9-4, ist erhältlich im Buchhandel, Stadtmuseum Bad Wildungen, Bonhage-Museum Korbach, in der Touristikinformation Korbach und der Synagoge Vöhl zum Preis von 20 Euro.

KARL-HERMANN VÖLKER

2025 WLZ 30. 08.