Windkraft fürs Stadtsäckel
Waldecker prüfen alten Beschluss zu städtischem Engagement

Plötzlich noch im Dunst liegt die Ausgestaltung des nächsten Waldecker Windkraftprojektes. Steigt die Stadt nach reiflicher Prüfung am Ende selbst ein? © Foto: Matthias Schuldt
Waldeck – Ursprünglich waren die Stadtverordneten in ihrer jüngsten Sitzung in der Sachsenhäuser Stadthalle aufgerufen, über einen neuen Nutzungsvertrag für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen mit einem privaten Investor abzustimmen. Doch einhellig, mit Ausnahme der FDP, vertagten die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und Freien Wählern auf Empfehlung aus dem Finanzausschuss diese Entscheidung und erteilten dem Magistrat einen anderslautenden Prüfauftrag.
Finanzausschuss-Vorsitzender Jürgen Schanner (Grüne) schilderte, wie sich in dem Fachgremium auf Anregung des Abgeordneten Martin Schwechel (Freie Wähler) eine neue Debatte entwickelt habe.
Rechenzentren im Fuß der Windräder
Die grundsätzliche Idee: Weshalb sollte sich die Stadt Waldeck weiterhin darauf beschränken, Flächen an Windkraftbetreiber zu verpachten? Angesichts der Situation der öffentlichen Haushalte – besonders auf der Ebene der Städte und Gemeinden – solle der Magistrat prüfen, ob die Stadt aus der Windkraft durch eine aktivere eigene Rolle nicht dauerhaft mehr Einnahmen erzielen könne, als allein aus Pachteinnahmen, lautet die Grundidee. Bislang verhindert ein mehrere Jahre alter Beschluss des Waldecker Parlamentes einen solchen Schritt. Damals hatten die Stadtverordneten entschieden, dass die Stadt nicht selbst in den Betrieb von Windkraftanlagen einsteige, sondern das dem privaten Sektor überlasse.
Die Entwicklung des Windkraft-Sektors beschränke sich längst nicht mehr auf den Zubau von Anlagen. Viele Beteiligte suchten nach Wegen, die Anlage besser zu nutzen und zu steuern, was deren Wirtschaftlichkeit erhöhe, argumentiert Schwechel. Beispiel: Start-up-Unternehmen installieren mittlerweile Rechenzentren im Fuß der Windräder. Die Computeranlagen brauchen einerseits viel Strom und die Installation am Ort der Stromerzeugung erspart Wege. Andererseits müssen die Rechner normalerweise aufwendig gekühlt werden, doch der Kamineffekt in den hohen Windradsäulen übernimmt diese Aufgabe auf natürlich-physikalische Weise, weil die warme Luft aufsteigt und kühlere von unten nachströmt. Schwechel sieht unter Umständen auch die Chance, mit Blick auf das geplante Umspannwerk bei Netze neue Impulse zu setzen.
„Ich werde bei jedem Spaziergang angesprochen, wie viele Windräder um unseren Ort herum noch aufgestellt werden“, sagte der Höringhäuser und SPD-Fraktionsvorsitzende Latif Hamamiyeh Al-Homssi. Die Windkraft stoße in der Bevölkerung sicher auf größere Akzeptanz, wenn höhere Einnahmen daraus in den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur der Waldecker Stadtteile flösse.
Der grundsätzlichen Argumentation aus dem Finanzausschuss gegenüber offen zeigte sich auch CDU-Fraktionschef Michael Keller, während Daniel Hankel für die FDP dafür plädierte, den alten Beschluss beizubehalten. Die Mehrheit des Parlamentes sieht es allerdings anders. Sie will über den Magistrat die Möglichkeiten eines Windkraftbetriebes in Eigenregie oder unter städtischer Beteiligung einschließlich einer Risikoanalyse ergründen lassen.
In Dänemark lag 2024 der Anteil der Erneuerbaren an der Nettostromerzeugung bei 83 Prozent. Die nördlichen deutschen Nachbarn setzen seit viel längerer Zeit auf Windkraft. Widerstand gegen Windräder gab und gibt es auch dort. Beteiligungsmodelle und Förderung von Bürgerwindparks sollten die Konflikte befrieden, doch das funktionierte bedingt. Die Zahl der Kooperativen etwa blieb beschränkt, unter anderem wegen der hohen Investitionskosten für die Anlagen. Anna Papke von der „Stiftung Umweltenergierecht“ stellte die dänische Regelung 2018 ausführlich vor (Würzburger Berichte zum Umweltenergierecht Nr. 32).
MATTHIAS SCHULDT
Auch Sonnenstrom-Beschluss prüfen
In Sachen Freiflächen-Photovoltaik verhält es sich in Waldeck entgegengesetzt zur Windkraft. Neue Anlagen dürfen seit einem Beschluss der Stadtverordneten von 2024 nur noch auf Flächen installiert werden, die der Stadt Waldeck gehören oder die sie angepachtet hat. Ziel war es, landwirtschaftliche Flächen in Waldeck der Lebensmittelproduktion vorzubehalten und den Anstieg der Pachtzinsen einzudämmen, den die konkurrierende Nachfrage von Photovoltaik-Investoren auslöst.
Anträge für kommunale Parzellen liefen seitdem jedoch nicht ein, antwortete Bürgermeister Jürgen Vollbracht auf eine Anfrage der CDU von Ende Januar. Dagegen liegen Anträge auf Bauleitplanverfahren für private Flächen in Niederwerbe und in Dehringhausen vor. In Dehringhausen geht es um Agri-Photovoltaik, also die Kombination aus Sonnenstromerzeugung und landwirtschaftlicher Nutzung. An diesem Punkt war sich das Parlament einig, die Fälle zu prüfen und gegebenenfalls den Beschluss von 2024 wieder zu ändern.
SU
2025 WLZ 24. 02.