„Heimat gehört nicht den Rechten“

Nadine Hansen ein Jahr nach der Demo gegen Rechts

Am 27. Januar 2024 demonstrierten in Frankenberg etwa 2000 Menschen gegen Rechts und für Demokratie – hier einige Teilnehmer auf dem Untermarkt. Nadine Hansen hatte die Demo mitinitiiert und -organisiert. © ARCHIVFOTO: Jörg Paulus

Frankenberg – Anfang 2024 hatte ein Bericht des Recherchenetzwerks Correctiv über ein Geheimtreffen von Neonazis und AfD-Politikern zur massenhaften Abschiebung von Migranten dafür gesorgt, dass bundesweit Hunderttausende Menschen auf die Straßen gingen. Auch in Frankenberg demonstrierten heute vor einem Jahr rund 2000 Menschen gegen Rechts und für die Demokratie. Zumindest in der Öffentlichkeit ist von dieser Massenbewegung und der Aufbruchstimmung heute nichts mehr zu sehen oder zu spüren. Es gab in Frankenberg im Mai nochmal eine ähnliche Demo, allerdings nur noch mit 170 Teilnehmern.

Wir haben mit Nadine Hansen (20), einer der Initiatoren und Organisatoren, nochmal über die Demo vom Januar 2024 gesprochen, wie es danach weitergegangen ist und wie sie – auch mit Blick auf die Bundestagswahl – die Entwicklung der AfD sieht.

Warum haben Sie damals die Demo gegen Rechts in Frankenberg organisiert?

Anfang 2024 gab es eine große Aufbruchstimmung in Deutschland. Die Recherche von Correctiv über das Treffen von Rechtsextremisten in Potsdam, wo auch bedeutende AfD-Mitglieder anwesend waren, hat den Großteil des Landes fassungslos gemacht. Berlin setzte den Auftakt für eine breite Bewegung und viele große und kleinere Städte haben ebenfalls ein Zeichen gesetzt. Es war super wichtig zu zeigen, dass Hass und Hetze keinen Platz in unserer Gesellschaft haben und dass Vielfältigkeit von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wird. Die hohe Teilnehmerzahl von rund 2000 Menschen zeigt, wie stark Frankenberg sich mobilisiert, wenn es ernst wird. Für uns war es essenziell, dass alle Parteien der demokratischen Mitte zusammenstehen und für eine gerechte Gesellschaft kämpfen, in der Menschen nicht in erste und zweite Klasse unterteilt werden.

Welches Fazit ziehen Sie rückblickend für die Demo vom 27. Januar 2024?

Für mich persönlich stellt die Demokratiebewegung, die Anfang 2024 unter anderem in Frankenberg stattgefunden hat, einen Wendepunkt dar. Es war großartig zu sehen, mit welcher Entschlossenheit die Menschen für ihre Überzeugungen auf die Straße gegangen sind. Das Treffen der Rechtsextremisten in Potsdam war ein Angriff auf unsere Demokratie und unser Grundgesetz. Die Menschen haben gemerkt, dass das Schweigen von damals heute nicht mehr möglich ist. In den aktuellen Zeiten ist es wichtig, Verantwortung zu übernehmen. Ich merke, dass der Großteil der Menschen bereit ist, sich gegen extremistische Narrative zu stellen und aktiv mitzugestalten, wie wir als Gesellschaft zusammenleben wollen.

Warum ist diese Massenbewegung danach so schnell abgeebbt?

Das würde ich so nicht unterschreiben. Zwar gab es seit Januar 2024 keine vergleichbare Massenbewegung, aber die Demokratiebewegung hat Spuren im Bewusstsein der Menschen hinterlassen. Für Werte einzutreten und dafür zu kämpfen, erfordert nicht immer eine große Demonstration. Natürlich ist es wertvoll, mit einer solchen Veranstaltung ein klares Zeichen zu setzen und extremen Gruppen zu zeigen: Wir sind mehr. Doch dies ist nicht der alleinige Schlüssel, um Menschen zu überzeugen, die noch unentschlossen sind oder die wir zurückgewinnen möchten. In diesem Sinne setze ich auf Dialog und das aufrichtige Zuhören. Es braucht einen Raum, in dem unterschiedliche Interessen Platz finden – sachlich, respektvoll und konstruktiv. Nur so können wir langfristig Verständnis und Unterstützung gewinnen.

Sind nach Ihrer Demo neue Initiativen oder Netzwerke entstanden?

Nach der Demonstration in Frankenberg haben sich noch keine größeren Initiativen oder Netzwerke gegründet. Es gibt jedoch weiterhin Engagement, das sich in kleineren Formen zeigt. So haben wir eine Gruppe ins Leben gerufen, in der man sich austauschen kann. Es bleibt sehr stark der Wille bestehen, zusammenzuarbeiten und sich aktiv auseinanderzusetzen. Dies ist bereits ein wichtiger Schritt.

Sie haben sich damals explizit gegen die AfD gerichtet. Bei der Bundestagswahl könnte die AfD nun zweitstärkste Kraft werden. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?

Ich finde diese Entwicklung grausam und alarmierend. Eine vom Verfassungsschutz als teilweise rechtsextrem eingestufte Partei hat laut Umfragen jetzt sogar die 20 Prozent erreicht. Es ist möglich, dass die AfD zweitstärkste Kraft bei der Bundestagswahl wird, was einen tiefgreifenden Einschnitt in unsere Demokratie bedeuten würde. Das ist eine Herausforderung für uns alle. Wenn extremistische Ideologien immer mehr an Zustimmung gewinnen, gefährdet dies unseren sozialen Zusammenhalt. Trotzdem ist es wichtig, sich nicht von dieser Entwicklung lähmen zu lassen, sondern weiterhin für unsere demokratischen Werte einzutreten: Toleranz, Respekt und einen demokratischen Diskurs.

Bei der Europawahl im Juni 2024 hat die AfD in Frankenberg 19,2 Prozent bekommen. Woran lag das?

Dafür gibt es vielfältige Gründe mit lokalen und überregionalen Faktoren. Die Ängste und Sorgen vieler Menschen lassen sich nicht übersehen. Migration ist momentan das Hauptthema in Großteilen unserer Gesellschaft. Ich bin der Meinung, dass die demokratischen Parteien zu wenig tun, um in der breiten Gesellschaft eine größere Akzeptanz für ihren Umgang mit Migration zu fördern. Viele Menschen fühlen sich durch den rechten Populismus gehört und verstanden, auch wenn die Vorschläge der AfD sehr oft nicht durchdacht und meist nicht umsetzbar sind. Das Einzige, was uns weiterbringen kann, sind konstruktive und klare Lösungen. Die demokratischen Parteien tun sich jedoch schwer, diese Lösungen konkret aufzuzeigen. Durch einfach dargestellte Ideen der AfD gewinnt diese an Zuspruch. Sie stellt viele Herausforderungen als unlösbar dar und vermittelt den Eindruck, dass nur sie in der Lage sind, das Land zu retten. Dem ist aber nicht so. Probleme unserer Zeit können nur gemeinsam, auf konstruktive und durchdachte Art und Weise angegangen werden. Lautstarke und argumentationslose Parolen vergiften unsere demokratische Mitte.

Planen Sie mit Ihren Mitstreitern vor der Bundestagswahl nochmal eine Aktion gegen Rechts und für die Demokratie – vielleicht auch explizit gegen die AfD?

Ja, wir planen eine Veranstaltung, die ein starkes Zeichen gegen Rechtsextremismus und die Vereinnahmung unseres Landes durch die AfD setzt. Die AfD versucht, die deutsche Identität und unsere Symbole für ihre ideologischen Zwecke zu missbrauchen. Das können und werden wir nicht hinnehmen. Unsere Aktion soll zeigen, dass Deutschland für alle steht, die Demokratie, Vielfalt und Zusammenhalt verteidigen. Gemeinsam mit anderen demokratischen Kräften möchten wir deutlich machen: Unsere Heimat gehört nicht den Rechten, sondern allen, die sich für ein weltoffenes, tolerantes und gerechtes Miteinander einsetzen.

Gibt es schon Rahmen, Ort und Termin für die Aktion?

Voraussichtlich wird es eine Veranstaltung mit Musik und Reden der Parteien geben. Eine Demonstration ist derzeit nicht geplant. Das Philipp-Soldan-Forum ist bis zu den Wahlen ausgebucht. Sofern das Wetter mitspielt, könnte es im Freien stattfinden oder in der Kulturhalle. Es läuft auf Anfang/Mitte Februar hinaus.

Sie sind politisch bei den Grünen aktiv. Wie engagieren Sie sich da?

Hauptsächlich auf lokaler Ebene. Ich nehme an Sitzungen des Ortsverbands teil. Jetzt, wo der Wahlkampf vor der Tür steht, ist es mir wichtig, unsere Ziele nach außen zu tragen. Ich möchte mit den Menschen ins Gespräch kommen und dazu beitragen, möglichst viele Menschen von unseren Werten und Stärken zu überzeugen. Auch ein kurzes Treffen mit Robert Habeck auf einer Veranstaltung hat mir die nötige Überzeugung gegeben, jetzt das Richtige zu tun.


JÖRG PAULUS

Nadine Hansen (20) wohnt in Frankenberg. Sie studiert Politikwissenschaft und Biologie auf Lehramt, liest sehr gerne und geht gern ins Theater. Sie engagiert sich in Frankenberg bei den Grünen, hat aber keine politischen Ämter. Ihr Vater Nicolas Hansen war 2009 und 2012 Bürgermeisterkandidat in Frankenberg, wurde aber nicht ins Amt gewählt.

2025 WLZ 27. 01.