Extremismus nicht tolerieren

Vereine im Kreis wappnen sich gegen Vereinnahmungen

VON STEFANIE RÖSNER

Dr. Christoph Weltecke Rechtsanwalt

Waldeck-Frankenberg – In einem laufenden Gerichtsverfahren wird zurzeit über den Ausschluss eines Mitgliedes aus einem Waldeck-Frankenberger Verein entschieden. Anlass waren dessen „rechtsextreme Umtriebe im privaten Umfeld“, wie es ein Vereinsvertreter beschreibt.

Wie können sich Vereine vor Vereinnahmungen von Rechtsextremen schützen? Mit dieser Frage befassen sich mehr und mehr Vereinsvorstände im Landkreis. Das ist auch die Erfahrung von Dr. Christoph Weltecke, Rechtsanwalt in Korbach und aktiver Feuerwehrmann.

Die Gesellschaft im Landkreis Waldeck-Frankenberg lebt von ihrer regen Vereinskultur. „Ich befürchte, dass uns das Thema in Zukunft noch mehr beschäftigen wird“, sagt Christoph Weltecke im Interview mit unserer Zeitung. „Es gibt konkrete politische Papiere von extremistischen Parteien, die schon aus dem vergangenen Jahrzehnt stammen, wo ein „Marsch“ durch die zivilgesellschaftlichen Organisationen als ein Teil der politischen Agitation beschrieben wird. Es wird dazu kommen, dass wir Personen mit rechtsextremen Ansichten in Vereinen haben werden“, sagt Weltecke. „Ich nehme wahr, dass sich Vereinsvorstände bei uns im Landkreis damit befassen. Sie wollen gewappnet sein, wenn der Tag X kommt.“

So passen sie beispielsweise ihre Vereinssatzungen an. Diese sollen deutlich machen, dass der Verein für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und für Diversität steht sowie gegen Extremismus und Ausgrenzung ist. Denn diese Werte seien die Realität: „Der Sportverein lebt davon, dass es viele bunte Angebote gibt, und die Feuerwehr lebt davon, dass sie anderen Menschen hilft“, so Weltecke.

Bislang könne man noch vorbeugend handeln, denn zu konkreten Vorfällen komme es im Landkreis selten. Für die Prävention ist das Netzwerk für Toleranz ansprechbar. Es berät Vereinsvertreter zum Beispiel, wenn es darum geht, sich gegen fremdenfeindliche Äußerungen von Mitgliedern zu positionieren und wie man deutlich machen kann, dass ausgrenzende Worte und Taten nicht zu tolerieren sind, erklärt Violetta Bat von der Koordinierungs- und Fachstelle im Kreis. Foto: pr » 

Satzungen überarbeiten

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Violetta Bat vom Netzwerk für Toleranz und Rechtsanwalt Dr. Christoph Weltecke sprechen im Podcast-Interview über Schutz vor Rechtsextremen in Vereinen. Foto: Stefanie Rösner

Waldeck-Frankenberg – Der Verein aus Waldeck-Frankenberg, bei dem ein Mitglied ausgeschlossen werden soll, kann bis zum rechtskräftigen Gerichtsurteil keine Details zum laufenden Verfahren nennen. Ein Mitglied war durch rechtsextreme Umtriebe im privaten Umfeld aufgefallen, und der Waldeck-Frankenberger Verein habe sofort gehandelt, was aus rechtlicher Sicht hilfreich gewesen sei. „Wenn ich es nicht gleich ahnde, billige ich es“, sagt ein Vereinsvertreter.

Neben den rein rechtlichen Fragestellungen birgt ein solches Verfahren auch ein Kostenrisiko, dessen sich ein Vereinsvorstand bewusst sein muss. Grundsätzliche Hilfestellungen zum Verfahren, zu Satzungssregelungen und notwendigen Schritten leistet aber zum Beispiel der Landessportbund, kann der betroffene Verein dankbar berichten. Eine Überprüfung oder kritische Durchsicht der Satzungsregelungen sei aber auch ohne konkreten Anlass immer hilfreich.

In dem genannten Verfahren habe das Amtsgericht Korbach bereits im Sinne des Vereins entschieden: Eine Mitgliederversammlung, ein Verein, sei grundsätzlich frei in der Entscheidung, ob sie ein Mitglied aufnehme oder auch wieder ausschließe, so das Gericht. Nun stehe aber noch ein Urteil des Landgerichts Kassel aus, da die betreffende Person – „aus der Sicht des Vereins ehemaliges Mitglied“ – Berufung eingelegt habe.

Mit solchen Themen beschäftigt sich auch der Hessische Schützenverband, berichtet Jürgen Köckert, Vorsitzender des Sportschützenvereins Berndorf. Im Leitbild des Verbands heißt es: „Wir treten aktiv gegen Rassismus, Extremismus und Vorurteile jeglicher Art ein.“ Die Berndorfer Sportschützen hatten laut Köckert noch keinerlei Probleme mit Vereinnahmungen durch rechtsextreme Mitglieder. Insbesondere aufgrund des Waffenbesitzes von Sportschützen sei die Zuverlässigkeit der Mitglieder elementar. Jürgen Köckert ist sicher: Sobald jemand durch rassistische oder rechtsextreme Äußerungen auffallen würde, müsste man als Verein sofort Grenzen setzen und über einen möglichen Ausschluss beraten, „wenn die Person nicht ins Gefüge passt“. Viele hessische Schützenvereine seien derzeit dabei, ihre Satzungen zu überarbeiten.

Der Landesfeuerwehrverband befasst sich laut dem Korbacher Anwalt und Feuerwehrmann Christoph Weltecke bereits seit rund 15 Jahren mit diesem Thema. Der Verband unterstütze die Freiwilligen Feuerwehren zum Beispiel mit dem Projekt „Feuerwehr gemeinsam in die Zukunft“. Dabei geht es um Fragen wie: „Wie gehe ich mit Stammtischparolen um?“.

Auch die Hessische Jugendfeuerwehr engagiert sich gegen Rechtsextremismus, berichtet Weltecke. Sie ist seit 2010 im „Beratungsnetzwerk Hessen – gemeinsam für Demokratie und gegen Rechtsextremismus“ und unterstützt dessen Arbeit.

„Es gibt auch hier in Waldeck-Frankenberg extremistisches und rechtsextremes Gedankengut“, betont Violetta Bat vom Netzwerk für Toleranz Waldeck-Frankenberg. „Trotzdem sind wir in der glücklichen Situation, dass wir noch präventiv tätig sein können. Bevor etwas passiert, können sich Vereine an uns wenden. Im persönlichen Gespräch lässt sich vieles leichter klären.“

Violetta Bat berichtet von einem Fall in Waldeck-Frankenberg, bei dem in einem Verein Vorstandsmitglieder bekannt seien, die der Siedlerszene nahestünden und Veranstaltungen planten, die diese rechtsextremen Ideologien verharmlosen.

Die Bedrohung ist laut Christoph Weltecke greifbar: „Extremisten wollen ihre kruden Ansichten nicht für sich behalten, sondern auch teilen. Deshalb gilt es im Verein, Augen und Ohren offen zu halten und zu schauen, ob es Anhaltspunkte gibt: von der Stammtisch-Parole angefangen bis hin zu strafrechtlich relevanten Äußerungen.“

Dabei gehe es nicht darum, sich politisch festzulegen: „Natürlich kann man politisch neutral sein, aber gleichwohl eine Haltung haben“, sagt Christoph Weltecke. „Extremismus ist für mich keine politisch akzeptable Ausdrucksform. Vereine sollten sich dagegen klar positionieren.“ Sie sollten explizit in ihrer Satzung formulieren, für welche Werte sie stehen. „Denn das kann helfen, wenn es keine andere Lösung gibt und man feststellen muss, dass man sich von einem Vereinsmitglied trennen muss“, so Christoph Weltecke. „Die Grundlage wäre hier der Verstoß gegen den Vereinszweck.“

Violetta Bat ergänzt: „Manchmal lässt sich ein Ausschluss nicht vermeiden, aber das sollte das letzte Mittel der Wahl sein. Sonst drängen wir Menschen noch mehr in die extremistische Szene, indem wir sie ausgrenzen und ihnen den Zugang zur Gesellschaft verweigern.“ STEFANIE RÖSNER