Anklänge eines Goldrauschs

Spatenstich für Batteriespeicher-Anlage in Bad Wildungen

Idealer Standort, weil nah am Umspannwerk und weit weg von jeder Wohnbebauung, waren sich alle Projektpartner einig: Spatenstich an der Wildunger Illbruckstraße, beim ehemaligen Poresta-Werk. © Fotos: Matthias Schuldt

Bad Wildungen/WaldeckIn erster Linie die kostensenkende Nähe zu einem Umspannwerk mit kurzen Anschlusswegen macht ein Grundstück attraktiv für Investoren von Batteriespeichern. Das erläutert Max Goretzko, Entwicklungsleiter bei VPI-Flexkraft, das die Wildunger Anlage bauen lässt.
Wir freuen uns – man muss mit der Zeit gehen.
Fritz Faupel, Wildunger Stadtrat

Dabei gilt auch: Je leistungsfähiger das Umspannwerk, desto leistungsfähiger können angeschlossene Batteriespeicher ausfallen. Beim Wildunger EWF-Umspannwerk, an das der VPI-Batteriespeicher andockt, handelt es sich um ein 20.000-Volt-Schaltfeld der Mittelspannung.

Energie-Goldsucher unterwegs in Netze

Bei Netze plant Tennet dagegen ein sehr viel größeres 110-Tausend-Volt-Schaltfeld, ein Umspannwerk für Hochspannung. Kein Wunder, dass Netzer Grundstückseigentümer und die Stadt Waldeck übereinstimmend von mehreren Firmen berichten, die im Netzer Umfeld Flächen für den Bau von Batteriespeichern zu kaufen trachten. Wie Nugget-Jäger einst am Klondike versuchen die Unternehmen, Claims abzustecken. Wie einst im Kalifornischen Goldrausch geht’s zu wie beim Windhundrennen: Der Schnellste siegt.

Weil dieser Ansturm bundesweit regiert, schlägt Tennet öffentlich Alarm. Zwar könne die dynamische Entwicklung im Speicherausbau die Energiewende entscheidend voranbringen – aber nicht unter chaotischen Bedingungen. Das banale Windhundprinzip aus einer rettungslos veralteten Bundesverordnung gefährde stattdessen die Stabilität des Energiesystems, warnte der Konzern sinngemäß Ende August in einer langen Presseerklärung.

Grund: Umspannwerke haben eine begrenzte Kapazität für Anschlüsse, und nicht nur Speicher brauchen solche Anschlüsse. Neue Gaskraftwerke, Rechenzentren und Industriekunden seien ebenso darauf angewiesen, teilt Tennet mit. „Über 70 Prozent aller qualifizierten Netzanschlussfragen an Tennet Germany entfallen auf Batteriespeicher. Tendenz steigend“, schrieb der Konzern im August. 52 Gigawatt waren das damals. Inzwischen sind laut Tennet 60 Gigawatt Leistung von dieser Seite angefragt.

Das lasse kaum noch Luft für andere Interessenten wie etwa Rechenzentren, von denen Anfragen über 3 Gigawatt vorlagen. Sie hätten laut Tennet ebenso das Nachsehen wie neue Gaskraftwerke oder Wasserstoff-Produzenten. Nicht zuletzt behindere Speicher-Wildwuchs den bedarfsgerechten Ausbau bestehender Umspannwerke in der Zukunft, wenn die benötigten Flächen in der Nachbarschaft bereits durch Speicher blockiert seien.

Das Ausmaß der 60 Gigawatt Leistung an Batteriespeicher-Anfragen – allein bei Tennet – wird noch deutlicher im Vergleich zur Leistung aller herkömmlichen, stromerzeugenden Kraftwerke in Deutschland: Laut Bundesnetzagentur beträgt deren gemeinsame Leistung knapp 88 Gigawatt.

Damit die Anschluss-Kapazitäten deutscher Umspannwerke nicht bald einseitig erschöpft sind, fordert Tennet eine schnelle Reform der veralteten Bundesverordnung. An ihre Stelle sollen nach Vorschlägen des Konzerns Regeln treten, die alle Anschluss-Interessenten derart einbeziehen, dass die stabile Entwicklung und der stabile Betrieb des gesamten deutschen Stromnetzes gewährleistet werden. Fürs Ende des Windhundrennens plädierte in Wildungen auch Max Goretzko von VPI Flexkraft.MATTHIAS SCHULDT

Kostenvergleich Wildungen und Peterskopf

Für 17 Megawatt Leistung seines Batteriespeichers investiert VPI in Bad Wildungen 2025 rund 10 Millionen Euro, also knapp 590.000 Euro pro Megawatt. Zum Vergleich: Für eine zweite Kaverne mit Pumpspeicherwerk im Peterskopf schätzte E.ON (Vorgängerunternehmen von Uniper) im Jahr 2011 die Investitionskosten auf 250 Millionen Euro bei 300 Megawatt Leistung, also rund 830.000 Euro pro Megawatt. Das Projekt wurde 2015 auf Grund nicht ausreichend belastbarer Wirtschaftlichkeitsberechnung vom Unternehmen auf Eis gelegt.SU

2025 WLZ 11. 10.