Die harte Maloche für die Kohle
AUSFLUGSTIPPS – Bergbaumuseum Borken zeigt die Welt der Steiger und Stollen
Ausflug in eine längst entschwundene Arbeitswelt: Der ehemalige Bergmann Bernhard Stirn aus Stolzenbach ist einer der Museumsführer im Besucherstollen im Hessischen Bergbau Braunkohlemuseum unterhalb des Alten Amtsgerichts Borken. Foto: Claudia Brandau
Unsere Region hat zu jeder Jahreszeit etwas zu bieten und so gibt es auch im Winter zahlreiche Ausflugsziele. Wir geben Tipps, was Sie unternehmen können.
Borken – Man sollte viel Zeit für dieses Museum mitbringen. Und auch gute Nerven. Denn der Besucherstollen im Borkener Bergbaumuseum in der Altstadt ist deutlich spektakulärer, als man von außen vermutet: Die Besucher tauchen mit wenigen Schritten in eine dunkle, längst entschwundene Arbeitswelt tief unter dem Alten Borkener Amtsgericht ein.
Sie ist überall dokumentiert: Oben im Museum mit beeindruckenden Fotos, die Männer zeigen, die in Hitze und Dunkelheit die Kohle aus den Wänden hauen und in den Förderwagen schaufeln. Und unten im Stollen, wo man sich am besten mit einem der gut ausgebildeten Führer auf den Weg unter Tage macht. Der Weg durch die nachgebildete Arbeitswelt führt durch lange niedrige Gänge entlang eines endlos wirkenden Förderbands.
Bernhard Stirn ist heute einer der Museumsführer, die früher selbst bei der Preußen Elektra arbeiteten. Er wirft das Förderband an, sein Ruckeln erfüllt den engen Raum. Der Weg führt weiter in einen niedrigen Schau-Stollen, auch dort ertönt auf Knopfdruck unfassbarer Arbeitslärm.
Vor allem die Jüngeren in der Besuchergruppe sind fassungslos über all den Krach und Dreck und die Maloche, staunen darüber, wie unvorstellbar hart die Arbeit unter Tage war. „Und so haben die Bergmänner jeden Tag geschuftet?“, fragt eine Jugendliche Bernhard Stirn, der das Trüppchen führt. Der nickt: „Jeden einzelnen Tag.“ Das junge Mädchen ist fassungslos: „Aber warum haben die sich das denn nur angetan?“
Die Frage zeigt, wie sehr sich der Begriff der Arbeit gewandelt hat. Der Bergbau mit seinen harten Bedingungen erschüttert heute die junge Generation: Ihr Begriff von Arbeit ist meist mit einem Computer verbunden, aber doch nie mit einer Spitzhacke oder Schaufel.
Bernhard Stirn war früher stellvertretender Lagerchef bei der Preußen Elektra und ist heute einer der ehrenamtlichen Führer im Besucherstollen. Stirn stammt aus Stolzenbach, jenem kleinen Stadtteil, in dem am 1. Juni 1988 eine Kohlenstaubexplosion eines der schwersten Bergbauunglücke in der deutschen Nachkriegsgeschichte auslöste. 51 Bergleute, Handwerker und Steiger ließen ihr Leben, nur sechs der an diesem Freitag eingefahrenen 57 Bergleute überlebten.
Das Bergbaumuseum Borken ist damit nicht nur Ausstellungs-, sondern Aufarbeitungsstätte. Großartige Fotos und viele Exponate zeigen die heute archaisch anmutende Arbeitswelt. Das Museum arbeitet nicht nur die Geschichte des Bergbaus in Borken, sondern auch die des Unglücks auf. Es sind authentische Fundstücke zu sehen. So wie die zerschmetterte Armbanduhr, die zum Zeitpunkt der Explosion stehen geblieben ist. Ungezählte Zeitungsausschnitte aus jenen Tagen erzählen die Katastrophe, schwarz-weiß Bilder untermalen sie – das Internet gab es damals noch nicht.
Mehr als 36 Jahre ist das Unglück her, aber für Bernhard Stirn und seine ehemaligen Kollegen, die damals dabei waren, als 51 Tote geborgen und nur sechs Bergmänner gerettet wurden, wird es nie verjähren.
Auch der Bergbau verjährt in Borken nicht. Daran erinnern neben den Museen auch die Gewässer wie die Stockelache, der Singliser, der Borkener und später auch der Gombether See. Letzterer wird bereits in wenigen Jahren aus dem Bergbaurecht entlassen und soll die Freizeitmöglichkeiten in Borken bereichern.
Für die ehemaligen Bergleute ist das ein riesiger Sprung von der dunklen Maloche unter Tage in den gleißendhellen Freizeitspaß unter der Sonne. Die Welt hat sich rasant verändert. Wie rasant, das kann man im Borkener Museum im Alten Amtsgericht erleben. Tipp: Unbedingt eine Führung durch den Stollen mitmachen. So etwas sieht man nicht alle Tage. CLAUDIA BRANDAU
2025 WLZ 20. 01.