Party vor „Waldecks Wohnzimmer“

Flashmob zum Abschied von Christa und Jochen Dietz

Abschied mit Wehmut: Rund 300 Menschen kamen aus allen Richtungen, feierten draußen an einem kühlen Dezembertag und an Tischen im Warmen eine Überraschungsparty. Das Drohnenbild zeigt einen Teil der Besucher. © Foto: Florian Kiewitter/privat

Waldeck Die Überraschung ist gelungen: Rund 300 Waldecker und Bewohner aus benachbarten Orten folgten dem Aufruf zum „Flashmob“ vor dem „Kleinen Warenhaus“. Mit Ständchen, Schildern, zahlreichen Geschenken und vielfachem Dank verabschiedeten sie Christa und Jochen Dietz in den Ruhestand. Der 111 Jahre alte Familienbetrieb war nicht nur Anlaufstelle für Kunden sondern der Dreh- und Angelpunkt des örtlichen Lebens in der Bergstadt am Edersee.

Zu den Klängen der Musikfreunde Waldeck/Netze mit Trommeln und Fanfaren marschierten Teilnehmer des Flashmobs aus allen Richtungen zum Marktplatz.
Organisator Philipp Hankel hatte im Vorfeld die Pläne für den Menschenauflauf geschmiedet und über eine Whatsapp-Gruppe und andere Kanäle zum Mitmachen aufgerufen. Dass die zahlreichen Eingeweihten alle dicht hielten und die emsigen Vorbereitungen unter höchster Geheimhaltung durchgezogen wurden, grenzt fast an ein Wunder, denn der Laden war bekannt als top-aktuelle Nachrichtenbörse für ganz Waldeck.
„Ihr wart für viele das Informationszentrum im Ort, und zwar für Einheimische und Gäste“, würdigte Erster Stadtrat Bruno Arlt. Seit 71 Jahren existierte der Laden der Familie Dietz in Waldeck, 61 Jahre war er am Markplatz.
„Ihr seid Legenden in Waldeck“, rief Hankel den angehenden Ruheständlern zu. Der Laden war nicht nur Anlaufstelle für die kleinen und größeren Besorgungen, sondern half oft bei Veranstaltungen aus der Not. „Und die Kommunikation stand immer an erster Stelle.“ Hankel dankte auch für den Karnevalsclub Dringe und die „Zarten Tauben“ und überreichte ein Präsent.
Für die Wirtschaftsvereinigung AWE (Aktives Waldeck am Edersee) erinnerte Uwe Neuschäfer an den unermüdlichen Einsatz der Geschäftsleute von 1953 bis 2024. An 26 216 Tagen habe die Familie Dietz die Waldecker mit Kleidung, Lebensmitteln, Schulheften, Streusalz und vielem mehr versorgt. Der Laden war die „zentrale Nachrichtenbörse, unser Wohnzimmer“, sagte Neuschäfer. Auch Urlauber wurden von Christa und Jochen Dietz mit Informationen versorgt, und „wenn jemand verstorben war, wussten es die beiden fast eher als die Angehörigen“.
Das bekräftigte auch Pfarrer Til Anders Follmann mit einem Augenzwinkern. Er dankte für die jahrzehntelange Unterstützung der evangelischen Kirchengemeinde mit einer Erinnerungsurkunde und ernannte das Ehepaar zu „Ehren-Ehrenamtlichen des Ortskirchenbeirats“. Claudia Unger vom Tourismusbüro der Stadt Waldeck überreichte eine Torte mit der Aufschrift „Auf ein Neues“. Im Januar werde der angehende Ruheständler nämlich als Gästeführer verpflichtet.
Besucher schwenkten Schilder mit Aufschriften wie „Scheiden tut weh“, „Danke“ und „Wir werden euch vermissen“. Die Enkelkinder der Ruheständler hatten vorsorglich einen Stundenplan entworfen, damit nichts schiefgehen kann vom Wechsel aus der Selbstständigkeit ins selbst bestimmte Leben. Bei soviel Herzblut, Anteilnahme und Ideenreichtum zeigte sich das Ehepaar Dietz sichtlich gerührt und vergoss Tränen. „Ich bin einfach überwältigt“, gestand der sonst so wortgewandte Jochen Dietz ergriffen. Eine rustikale Holzbank, gestiftet von Familie Schubert, wurde aufgestellt und erinnert nun an das Ende einer 111 Jahre dauernden Familienära. Zahlreiche Glückwünsche für den Ruhestand schlossen sich an, Grüße übermittelten auch die Landfrauen und der KC Wiesenhaus. Die Familie Kiewitter ließ ihre Drohne über kreisen und hielt die Überraschungsparty aus der Vogelperspektive fest.
Mit Musik umrahmte der Edersee-Shanty-Chor die Feier zu Ehren seines Vorsitzenden, der eigentlich Karl-Joachim Dietz heißt, aber in Waldeck nur als Jochen Dietz bekannt ist. Dabei ließ es sich der Shanty-Chef nicht nehmen, ein Lied in vorderer Reihe mitzusingen. Die Feier endete feuchtfröhlich bei Getränken, die von Hubertus Nottscheid und den „Zarten Tauben“ gespendet wurden, aber mit einer gehörigen Portion Wehmut. „Wir waren gern ein Teil Ihres Lebens“, bekannte das Ehepaar beim Abschied.
CORNELIA HÖHNE